Interview © Heavy-Metal.de

von Dirk Limberg

27.09.2009

 

“Auf dem Boden der Tatsachen”

Heavy-Metal.de (HM): Hallo, Chris. Schön, nach längerer Zeit mal wieder neues Material von dir zu hören. Wie lange hast du gebraucht, um das Meterial für das neue Album "Pine / Cross Dover" zusammenzustellen?

Chris Goss (CG): Das kann ich nicht unbedingt an Jahren und Monaten fest machen. Ich arbeite da grundsätzlich anders als wahrscheinlich die Masse der anderen Künstler, die zumindest ich kenne. Ich habe so etwas wie "files" oder kleine Schubladen, in denen in schöner Regelmässigkeit Ideen, Riffs, Songfragmente oder Inspirationen landen. Irgendwann denke ich dann, es ist Zeit, mal zu stöbern, was sich so angesammelt hat. Dann setze ich mich hin, schaue hier und da und dort in meinen Aufzeichnungen und stelle mir das zusammen, was meine Aufmerksamkeit erregt und meinem Geschmack zu dem jeweiligen Zeitpunkt entspricht. Das ergibt die Grundlagen, auf denen ich dann fortfahre, die Songs aufzubauen. Wenn du diesen Prozess gemeint hast, würde ich sagen, das ging im Sommer oder Herbst letztes Jahr los.

HM: Es ist ja nicht so, dass du dich nach Jahren der Untätigkeit mal wieder aufgerafft hast, künstlerisch tätig zu sein. In schöner Regelmässigkeit bist du als Produzent gefragt und lieferst über diese Schiene eine künstlerische Leistung ab. Wie viel nimmst du umgekehrt aus deinen Produzentenjobs mit für deine eigenen Arbeiten?

CG: Also, wenn es so passiert, dann jedenfalls von Job zu Job höchst unterschiedlich viel. Die Künstler und Bands, mit denen ich zusammen arbeite, haben ein sehr breites Spektrum, von dem ich mir streckenweise nicht vorstellen kann, es für meine Ideen von Musik komplett zu übernehmen. Aber klar nehme ich Eindrücke mit - das sind die Inspirationen in meinen "files", von denen ich dir eben erzählt habe.

HM: Wir Musikjournalisten sind ein Stück weit ja auch faule Bastarde. Uns geht es dann am besten, wenn wir eine Musik in eine Kategorie einordnen können. Denn dann können wir sie an den Eigenheiten der Kategorie messen und für gut oder schlecht bewerten. Wie viel Intention und wie viel Zufall steckt dahinter, dass deine Musik sich - auf ein Album bezogen - einer einzigen Kategorie entzieht?

CG: Meine Musik ist in einer Kategorie! Ich weiss nur verdammt noch mal nicht, in welcher... (lacht). Die Vielfalt, die du ansprichst, ist vielleicht genau die Kategorie, in der ich einzuordnen bin. Und ich habe einen Höllenspass dabei, es euch schwer zu machen, mich zu taxieren (lacht sich fast weg). Im Ernst: Ich gehe nicht hin und sage: OK, ich habe Bock auf Stoner oder Desert Rock, also wird das nächste MOR-Album tonnenschwer und schön stonig oder so. Ich sage: Das gefallt mir, aus der Idee kann man was machen und wenn die nächste Idee aus einer anderen Ecke kommt - na gut. Hauptsache, am Ende habe ich sie so umgesetzt, dass das Ergebnis MIR gefällt.

HM: Das Album "Pine / Cross Dover" ist in die beiden Teile des Titels aufgeteilt. Wie kam die Zuordnung der Songs in die Teile zustande und was verbindet die Songs innerhalb des jeweiligen Teils?

CG: Es ist die Symbiose aus Verwunderung und Verzweiflung.

HM: Hääh???

CG: Es ist... ach - vergiss’ es !!! Ich war der Meinung, dass das so, wie es ist, in eine Reihenfolge gehört. Wir wollten die Leute in das Album einführen und dann sollten sie sich ihren Weg suchen und für sich das Album und die Songs entdecken.

HM: "Ins Album einführen" ist gut!!! Ohne Intro knallt den Leuten bei "King Richard" ein hoch ausgesteuertes Shredder-Riff um die Ohren und dein Gesang setzt nach wenigen Takten ein. Du prügelst die Leute in das Album...!!!

CG: Das ist Rock’n’Roll, oder??? Der Song MUSSTE am Anfang stehen, das war mir klar, als wir ihn fertig hatten. Und der Rest hat sich eben ergeben. Aber OK, an der Stelle erkenne ich deinen Standpunkt (lacht anhaltend).

HM: Wer am Album mitgewirkt hat, ist ja jetzt spätestens mit dem Druck der Credits im Innenteil des Booklets bekannt. Aber deine Tourmannschaft ist immer noch nicht restlos "enthüllt".

CG: Na, ja, John Leamy ist dabei...

HM: ... was nicht wirklich überraschend ist, denn er hat am Album mitgeschrieben und ist - wenn es sowas bei MOR denn gibt - fester Bestandteil der Band...

CG: ... du hast doch gefragt, oder..? Also!!! Tja, un der ganze Rest drumherum ist zur Zeit [das Interview fand am 20. August statt, d.Red.] noch sehr in der Schwebe. Ich würde für jetzt sagen: Bleibt an der Homepage von MOR dran, dann wisst ihr es als erste.

HM: Wenn ihr Anfang Oktober nach Deutschland kommt, ist das abgesehen von einem einzelnen Festivalauftritt in 2004 euer Livedebüt hier bei uns. Was hat euch daran gehindert, spätestens mit dem letzten Album schon bei uns ausgiebiger vorbei zu schauen?

CG: Hey, was soll ich dir jetzt erzählen? Kannst du dem Papst das "Vater Unser" erklären??? Ich sage mal so: Es hat bislang nicht sollen sein, aber jetzt gibt es dafür ja eine Entschädigung für die Leute, die uns sehen wollen und unsere Musik sehenswert finden. Alles andere ist nicht mehr massgeblich.

HM: Akzeptiert. Ein Reiz von "Pine..." ist es, dass durch die Vielfältigkeit ein hochinteressantes Gesamtbild entsteht. Wäre es eine Option für die kommende Setlist, mehrere neue Stücke in der Reihenfolge vom Album ähnlich wie eine Suite live aufzuführen?

CG: Glaub’ es oder lass’ es: Genau das haben wir vor, wenn auch nicht aus dem genannten Grund. Aber die Setlist soll tatsächlich gewisse Blöcke aufweisen, um einzelne Alben besonders heraus zu stellen.

HM: Was wären für dich die Songs, die auf dem Album als eine Art Visitenkarte für das grosse Ganze stehen?

CG: Das würde ich komplett von der Stimmung abhängig machen, in der ich mich befinde, wenn ich das Album auflege. So, wie die Songs mich vorfinden, werde ich auf sie reagieren. Abhängig von meiner Stimmung und dem Stil des jeweiligen Songs kann das höchst unterschiedlich sein.

HM: Eure Plattenfirma Mascot hat vorab eine CD Single an die Radiostationen verteilt. Enthalten sind die Songs "King Richard" und "Up In It", also je ein Stück aus beiden Albumteilen. Warum hast du dich für diese "ausgewogene" Auswahl entschieden?

CG: Warte einen Moment!!! Das habe ich gar nicht, das war komplett die Entscheidung der Jungs bei Mascot. ICH hätte ein zwölf Minuten langes Medley eingespielt und zugesehen, was die 3-Minuten-Single-Radioschwänze draus gemacht hätten (das Lachen nimmt Überhand). Aber ich bin da nicht immer Herr der Lage. Vielleicht gerade dein oder euer Glück??? Wer weiss.

HM: OK, ich hoffe, die Musik knallt live mindestens ebenso geil wie auf dem Album. Vielen Dank für das Interview. Wir sehen uns wohl am 04.10. in Köln.