Interview © Metalinside.de

14. April 2004

von Christoph Stephan

 

"Gib uns Barabbas!"

schrien vor fast 2000 Jahren die Juden, als der oberste Richter von Jerusalem Pontius Pilatus sie fragte, wen er anstelle von Jesus in die Freiheit entlassen solle. Barabbas, ein Mörder, kam frei und Jesus wurde gekreuzigt. Ob es wohl Zufall ist, dass das neue Album von den MASTERS OF REALITY nur kurz nach dem Jahrestag dieser Geschehnisse erscheint und zu allem Überfluss auch noch "Give Us Barabbas" heißt? Dies und mehr wollten wir von Chris Goss wissen, einem Musiker, der nicht nur mit seiner eigenen Band grandiose Platten veröffentlichte, sondern auch Kyuss und die Queens Of The Stoneage entdeckte, bzw. produzierte und kürzlich auch die Regler in den Fingern hatte, als ex-Smashing Pumpkins Bassistin Melissa Auf Der Maur ihr Debüt einzimmerte. Metal Inside bat zum Kreuzverhör, 30 Fragen an Chris Goss....

 

Metal Inside: Chris, du bist gerade auf Promo-Tour in Köln, zumindest deine Lieblingsstadt, wenn´s um Bier geht.

Chris Goss: Ja, das Stimmt, ich liebe Kölsch, aber dieses Mal trinke ich eigentlich nur Scotch und esse Fleisch. (lacht - Anm.d.Verf)

MI: Du bist also ein Whiskey-Fan? Deine Hausmarke?

Chris: Glenmorangie!

MI: Ein Mann mit Geschmack! In den nächsten Tagen wird "Give Us Barabbas" veröffentlicht, erzähle uns etwas über das Album!

Chris: Das ganze ist eher eine Akustik-Geschichte. Die Songs sind teilweise schon ziemlich alt, hätten aber nicht auf die anderen Platten gepasst, daher veröffentliche ich sie zusammen auf einer Scheibe. Einige Stücke habe ich bereits vor Jahren auf 4-Spur-Recordern aufgenommen.

MI: Warum hast Du das Album "Give Us Barabbas" genannt?

Chris: Nun, es ist der Name, den das Volk rief, als Pilatus sie fragte, wen er frei lassen solle. Sie wollten den Mörder und nicht den König. Das ist das Gesicht der Menschheit.

MI: Was für eine Beziehung hast du zur Kirche?

Chris: Eine sehr persönliche. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Jeder Mensch sollte seine Religion für sich selbst behalten.

MI: Bist du christlich erzogen worden?

Chris: Ich wuchs in einem streng katholischen Elternhaus auf, wofür ich heute sehr dankbar bin, denn ich denke es hat mir einen Sinn für Gerechtigkeit gegeben. Außerdem veränderte es meine Art, Dinge wahrzunehmen.

MI: Warst du auch in deiner Jugend froh, christlich erzogen zu werden?

Chris: Nein! Wenn du jung bist, weißt du nicht, was gut für dich ist. Das ist heute immer noch so. Für mich war es damals eine maßlose Ungerechtigkeit, dass ich eine katholische Schule besuchen musste, heute weiß ich, dass es mir vor allem Selbstdisziplin gab. Ich leistete keinen Wehrdienst, vielleicht deshalb, weil ich eine katholische Schule besuchte. Ich erfuhr dort genug Reglementierung und Druck und vielleicht ebnete mir diese Tatsache den Weg zum Rock´n Roll. Alles hatte quasi den gegenteiligen Effekt, nur konnte ich letztendlich auch die guten Seiten der Religion herausfiltern und ließ die schlechten Seiten einfach links liegen. Davon gibt es einige, die katholische Religion hat verdammt viele schlechte Seiten.

MI: Wo genau bist Du aufgewachsen?

Chris: In New York und Pennsylvania. Ich hatte eine ziemlich harte Kindheit. Mein Vater starb, als ich noch sehr jung war und ich kann nicht leugnen, dass ich ein ziemlich merkwürdiger Mensch war. Ich entwickelte einen äußerst eigenen Humor, um mit verschiedenen Situationen klar zu kommen. Wie gesagt wurde ich sehr früh mit Regeln konfrontiert. Ich war ein kleiner, zerstörerischer Junge.

MI: Nicht der nette Kerl von nebenan, der alten Leuten über die Straße half?

Chris: Nein, ich hasste alte Menschen! (lacht - Anm.d.Verf)

MI: Dann hattest du es in einer katholischen Schule auch nicht gerade leicht, oder?

Chris: Ich lernte, das Spiel mit zu spielen, als ich noch sehr jung war. Ich glaube, ich war ein ziemlich guter Lügner, tat nie die Arbeit, die man mir auferlegte und erledigte nie Hausaufgaben. Ich machte es mir immer sehr leicht und schwänzte verdammt viel, außerdem war ich ein totaler Kiffbolzen und ständig stoned, daher erinnere ich mich auch kaum an die Highschool.

MI: Wann warst du das erste Mal betrunken?

Chris: Ich muss ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein. Ich plünderte die Hausbar meiner Eltern.

MI: Das letzte Mal?

Chris: Gestern Abend hahaha! Ich musste überall Jack Daniels trinken, die Bars hier in Köln haben nicht all zu viele gute Whiskeys. Ich suche ständig nach Single Malts, finde aber fast nur Bourbon und Scotch.

MI: Was ist besser, Bier oder Wein?

Chris: Bier! Die Säure im Wein verursacht bei mir Kopfschmerzen. Wahrscheinlich ist das der einzige Grund dafür, warum ich kein totaler Wein-Junkie bin. Es gibt so viele Gründe dafür, Wein zu trinken: Er ist billig, passt zu jeder Gelegenheit...

MI: Wann hast du angefangen, Musik zu machen?

Chris: Sehr früh, ich war fünf oder sechs Jahre alt. Meine Flucht aus der harten Realität.

MI: Wann warst du zum ersten Mal verliebt?

Chris: Irgendwann im Sommer 1975. Ich verknallte mich in ein älteres Mädchen, dass immer zu den Konzerten meiner damaligen Band kam. Ich war 16, hatte ein Groupie und war von ihr besessen.

MI: Wie klang deine erste Band?

Chris: Nach einer schlechten Mischung aus Aerosmith, Queen und Led Zepellin. Wir spielten Coversongs.

MI: Was ist der schlechteste Film, den du je gesehen hast?

Chris: Ich weiß nicht, ich neige dazu, schnell zu vergessen, was ich nicht gut finde.

MI: Der beste?

Chris: Ich schwanke zwischen "Good Fellas" und allen Scorcese-oder Kubrick-Filmen. Sogar "Eyes Wide Shut" ist ein Hammer!

MI: Ist Chris Goss ein Familienmensch?

Chris: Gute Frage! Ich war es nie, aber es gibt eine Sache, die ich an meiner großen liebenswürdigen Familie mag: Sie ist immer da, wenn ich sie brauche und das verschafft mir ein unheimlich behagliches Gefühl. Immer wenn ich meine Mutter besuche und das kommt ein Mal in ein paar Jahren vor, dann werde ich sofort schläfrig und fühle mich wohl. Ich habe eine große, italienische Familie, da geht es fast nur ums Essen. Die ganze Bagage sitzt den ganzen Tag um einen riesigen Tisch und isst, es dreht sich um nichts anderes.

MI: Du hast eine italienische Familie?

Chris: Geboren wurde ich in Amerika, aber meine Mutter war Italienerin und mein Vater deutsch, daher auch mein Nachname Goss. Die Mutter meines Vaters wiederum war halb türkisch, halb indisch. Aufgewachsen bin ich in der italienischen Seite meiner Familie, daher rührt wahrscheinlich auch meine Leidenschaft für gutes Essen. Mein Vater war allerdings auch kein schlechter Koch und ein Meister der deutschen Küche. Seine Spezialität waren Schweinebraten und Knödel. Meine Mutter kam aus Kalabrien, daher mischte sich bei uns die nord- und südeuropäische Küche.

MI: Fühlst Du Dich mit dem alten Europa, bzw. Deutschland verbunden?

Chris: Ich denke mit sehr gemischten Gefühlen an Deutschland. Ich hätte es gern einmal vor dem Krieg gesehen, denn es tut mir in der Seele weh, wenn ich mir überlege, wie viel großartige Architektur in den Kriegsjahren zerstört wurde. Was ich an Deutschland sehr mag, ist beispielsweise das Ritual des gemeinsamen, ausgedehnten Frühstücks. In kaum einem Land hat dies eine so große Bedeutung wie hier. In deutschen Hotels gibt es besseres Frühstück, als in jedem anderen Land dieser Erde. Ich mag die Philosophie, einen guten Tag mit einem guten und reichhaltigen Essen zu beginnen. Die Italiener haben ein anderes Verhältnis zum Essen, da sie dies in erster Linie zur Entspannung tun. Essen und Schlafen liegen bei den Italienern sehr dicht zusammen, außerdem ist der Humor anders. Italien ist ein sehr lautes, aber auch geduldiges Land. Allerdings mag ich auch die Balance der Deutschen zwischen Humor und Effizienz. So hat jede Kultur ihre guten Seiten, man muss sich nur Zeit nehmen, sie zu finden. Ich liebe es, in Deutschland essen zu gehen, es ist das größte für mich, an großen Tischen zu sitzen und mich von den Einheimischen beraten zu lassen. In solchen Situationen habe ich viele Freunde kennen gelernt. Man merkt auch immer wieder, wie stolz die Menschen in ihrer jeweiligen Region auf ihre Spezialitäten sind.

MI: Was würdest du in deinem Leben anders machen, wenn du eine Zeitreise zurück unternehmen könntest?

Chris: Ich würde zurück gehen und John Lennon sagen, er solle am Abend des 8.Dezember 1980 nicht auf die Straße gehen.

MI: Viele der Songs auf dem neuen Album klingen nach den Beatles.

Chris: Stimmt! Ich hatte beim Schreiben teilweise das Gefühl, ich würde den letzten Rest der Pilzköpfe aus mir heraus pressen. Es macht mich traurig, dass George mittlerweile auch tot ist. Die Jungs waren ein Bestandteil meines Lebens, aber nun sind sie nichts mehr, als ein Relikt meiner Jugend.

 

 

MI: Worin würdest du dich als besonders talentiert bezeichnen?

Chris: Ich bin gut im Bett! (lacht - Anm.d.Verf)

MI: Was liegt dir überhaupt nicht?

Chris: Computer!

MI: Was würdest du tun, wenn du noch einen Tag zu leben hättest?

Chris: Ich würde meiner Frau einen ganzen Tag lang in die Augen sehen.

MI: Was wäre deine erste Amtshandlung als Präsident der vereinigten Staaten?

Chris: Ich würde Heroin legalisieren!

MI: Hast du es je probiert?

Chris: Ja, vor vielen Jahren.

MI: Warum legalisieren?

Chris: Weil jeder momentan einen guten Rausch gebrauchen könnte. Im Ernst: Ich würde, weltweit Morphium in die Wasserversorgung geben, denn jeder Mensch auf dieser Welt sollte mal ordentlich zur Ruhe kommen und den ganzen Scheiß vergessen, der um ihn herum passiert. Die Welt leidet an Bluthochdruck und damit meine ich nicht nur Business-Leute und Terroristen. Alles ist heutzutage so nah beieinander. Um ehrlich zu sein wäre ich froh, wenn es morgen keine Flugzeuge mehr gäbe und man wieder auf Schiffe umsteigen müsste. Ich würde es genießen, zwei Wochen nach Europa zu brauchen, ich könnte viel lesen und schreiben und einfach nur relaxen. Das ist es, was die Welt braucht, ein wenig Ruhe vor sich selbst. Everything is too up to the minute with CNN!

MI: Glaubst du, Bush wird die Wahl gewinnen?

Chris: Ich weiß es nicht und ich bin wirklich froh, kein Politiker zu sein! Es ist ein schmutziges Business! Wer weiß, was Bush weiß, oder die anderen, die in seinem Kabinett sitzen. Niemand weiß wirklich etwas.

MI: Was planst du für die Zukunft?

Chris: Ich werde im Juni anfangen, mit Jeordie Francis White (Twiggy Ramirez, ehemaliger Bassist von Marilyn Manson - Anm.d.Verf) zu arbeiten und kann es kaum erwarten. Das Projekt heißt Snowballs. Dann habe ich gerade das neue Album einer englischen Band namens "The 80s Matchbox B-Line Desaster" produziert, von denen ich glaube, dass sie die beste Band sind, die es momentan auf dieser Erde gibt.

MI: Was für Musik?

Chris: Rock! Das erste Album war mittelklasse, aber das zweite ist der Oberhammer. Ich bin mir sicher, dass diese Jungs in ein paar Jahren eine große Sache sein werden.

MI: Besten Dank!

Chris: Gerne!