Interview © Bright Eyes 2001

von René Otto

 

Chris´ Goss... Stonerrock!

“Thank you (for letting us be ourselves)“ ist ein zeitloses Rockalbum, das angenehm die besten Momente des 80er US Haarspray Metal mit der Unbekümmertheit der 70er Rock Musik kreuzt, wie Ihr im Review nachlesen könnt.

Dabei ist der Nachfolger des in Schweden unheimlich erfolgreichen Vorgängers “Bad sneakers and a Pina Colada“ weder ein ironisches Statement noch ein ehrliches Lob an die Plattenfirma, wie mir Jocke Berg, sympathischer Sänger der rockenden Schweden bei einem gemütlichen Plausch verriet.“Es ist irgendwo beides - ehrlich und ironisch zugleich. Wir danken uns auch selbst, dass wir uns nicht haben verbiegen lassen.“

Chris Goss gehört wohl mit zu den innovativsten Musikern im Underground. Als Ideengeber der genialen Kyuss oder deren Nachfolgeband Queens Of The Stone Age brillierte der Ami auch außerhalb des Untergrunds. Seine eigene Band MASTERS OF REALITY hat soeben ein neues Album am Start. Dass dieses Album klangtechnisch nur wenig mit der Realität zu tun hat, wird Euch Chris selbst erzählen.

Dass er genauso mystisch und sphärisch wie seine Musik rüberkommt, könnte auch an einigen Cannabis-Produkten liegen. Mir gegenüber machte er jedenfalls einen ziemlich zugekifften Eindruck.

Nach dem üblichen “Hi“ & “Hallo, wie geht‘s denn“ wollte ich von Chris wissen, von wo er denn anrufe, da die Leitung nach Amerika so kurz nach den verheerenden Terroranschlägen mehr als anständig war, was mich ziemlich überraschte. Als Chris mir dann sagte, er sitze in der Wüste, fiel mir nicht mehr viel ein. Dass er in der Nähe des Joshua Tree (U2 -Album von 1987) wohne, verblüffte mich nicht mehr. Chris und Kyuss waren so ziemlich die Ersten, die den Begriff Stoner- oder Wüsten-Rock geprägt haben. Meine erste Frage zielte natürlich auf diese Tatsache hin.

Chris wollte erst einmal von mir wissen, was ich unter Stoner-Rock verstehe. Für mich bedeutet Stoner-Rock, dass man sphärischen Rock der 70er mit modernen Elementen aus dem Bereich des Elektro und Rock der 90er zu einer sehr emotionalen Mischung miteinander vereint. “Ja, wenn Du diese Definition hast, dann waren wir wohl als erste mit dabei diese Sachen zu produzieren. Wenn Du mich fragst, ob die neue Scheibe mit in diese Kategorie gehört, kann ich es schwer beantworten, weil ich sie selbst noch nicht ganz einordnen kann.“

Na dann versuchen wir die Antwort doch mal durch die Hintertür zu erfahren. Chris antwortete auf die Frage durch was seine Musik beeinflusst wird, wie folgt. “Ich verarbeitet in meiner Musik Elemente aus der Musik, die ich mein ganzes Leben gern gehört habe. Da sind z.B. Teile des Classic Rock in Verbindung mit Modern Rock. Der klassische Rock wurde meiner Meinung nach von Led Zeppelin oder Yes geprägt, klar, dass diese beiden Bands sich auch irgendwo in meiner Musik wiederfinden. Der moderne Bereich wurde sehr stark von David Bowie gestaltet. Mit meiner Musik versuche ich Elemente dieser Größen zu verbinden und ihnen damit einen Teil ihrer Musik zurückzugeben. Ich habe, um auf die Erfindung “Stoner-Rock“ zurückzukommen, sicher Sachen gemixt, die keiner zuvor zusammen- geschmissen hat. Auch wenn man sagt, dass alles schon irgendwann einmal gemacht worden ist, kann man es am besten mit einer Küche vergleichen. Es gibt sowohl die chinesische als auch die italienische Küche schon ewig, doch bisher ist noch keiner auf die Idee gekommen, die beiden Stile miteinander zu kombinieren. Ich sauge also bestehende Einflüsse auf, verbinde sie zu einem neuen Stil und raus kommt die Art der Musik, für die MASTERS OF REALITY steht.“

Meiner Meinung nach passt die neue Scheibe nicht unbedingt in die Schublade des Stoner-Rock, weil die Sounds doch zu mystisch wabernd durch die Boxen schweben und rotzige Gitarren eher einen untergeordneten Stellenwert genießen. Für mich klingt das alles eher nach einem intonierten Traum. “Ja, kann schon sein. Ich verbringen einen Teil meines Lebens auf einer Traum-Ebene, wenn Du verstehst, was ich meine. Vielleicht kommt das auch in der Musik zum Vorschein.“ Dazu passt dann ja auch der Titel des siebten Tracks “High Noon Amsterdam“! “Okay, ich erklär mal die Geschichte, die hinter diesem Song steht. Eine Tour ist für mich alles andere als profitabel. Das gilt ja leider für so ziemlich alle Bands, die nicht gerade Platin-Scheiben auf den Markt bringen. Wenn man am Ende einer Tour mit Null

rausgeht, ist das schon toll. Also muss man auf der Tour Spaß haben, weil letztendlich ja alles für lau ist. Man isst und wohnt für umsonst, aber man verdient auch kein Geld, so dass der Spaß, den man auf Tour hat, der Schlüssel zum Glück ist. Mit anderen Worten ist der Rock der sogenannte Pay-Off. Und deshalb darf man auch nichts anderes erwarten.“

Du meinst also die Freiheit auf Tour alles machen zu dürfen, was zu Hause nicht toleriert wird? “Yeah, that‘s it. Ich bin natürlich kein programmierter Roboter, der alles das macht, was andere wollen. Außerhalb des Erfolgsdrucks Spaß haben, bringt die Sache auf den Punkt.“

In diesem Zusammenhang fiel mir spontan das Frontcover der Scheibe ein, auf dem eine Person mit ängstlichem Gesichtsausdruck aus dem Kasten einer Gitarre schaut. “Die Erklärung für das Cover kommt “High Noon Amsterdam“ ziemlich nahe. Wenn man sich dem Rock verschrieben hat, ist man einfach in der Sache drin, ohne sich gegen die Dinge wehren zu können, allerdings wartet man auch nicht auf die nächsten Dinge, die passieren werden.“

Nach dieser mystischen Antwort, wollte ich was “Mystisches“ zu den Texten wissen. “Alle CDs, die ich gemacht habe, drehen sich um Dinge, die um mich herum passiert sind. Zum Teil notiere ich mir Dinge, die ich verarbeiten will, dann gibt es Sachen, die mir einfach im Kopf bleiben und letztendlich passieren manche Dinge sogar erst im Studio. Wenn Du den Song “Major Lance“ nimmst, kannst Du Dir sicher kaum vorstellen, dass dieser kurze Song, bereits seit 1985 in meinem Kopf herumgeistert. Ich hab die Melodie, die ich mir zu dem Song überlegt habe, nie auf ein Tape gezogen. Es war einfach in meinem Kopf und ging nie wieder heraus. Bei diesem Album habe ich mir dann ganz plötzlich in den Kopf gesetzt, diesen Song jetzt umsetzen zu müssen. Wenn du aber “Scatagoria“ nimmst, den Song habe ich innerhalb von Minuten im Studio geschrieben. Ich kann also nicht sagen, dass hinter meinen Alben ein Konzept steht. Was allerdings alle MASTER OF REALITY CDs gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass sich alle Alben um die Themen DEATH & DRUGS ranken. Das sind die beiden großen “D‘s“ für mich und mein Leben.“ Die beiden D‘s hängen mitunter auch ziemlich dicht beieinander. “Stimmt genau.“

Was fasziniert Dich denn am Tod so sehr? “Keine Ahnung. Kein lebender Mensch kann laube ich sagen, was ihn daran interessiert. Ich schreibe nun mal gern über dieses dunkle Gebiet. So bin ich. Vielleicht ist es mein Interesse am Schicksal und was als nächstes passiert. Oder anders gesagt: warum ist alles so wie es ist? Warum, warum, warum?“ Du willst also hinter den letzten Vorhang schauend “Genau, nicht weil ich neugierig bin, sondern weil ich wissen will, wer ich bin.“ Tolles Schlusswort. Ich brauch erst mal einen Schnaps - bin verwirrt!